Arbeitgeber/Unternehmen müssen seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bei Stellenausschreibungen und Bewerbungsverfahren genau darauf achten, niemanden zu diskriminieren oder zu umgehen. In diesem Artikel geht es speziell um die Bewerbung schwerbehinderter Menschen und die Bewerbungen von Scheinbewerbern (auch AGG Hopper genannt).

Der Schutz schwerbehinderter Menschen steht im Vordergrund. Sie sollen gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Die richtigen und wichtigen europäischen Vorgaben in Form mehrere europäischer Richtlinien wurden vom deutschen Gesetzgeber als Einheitsregelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelt. Dieses trat dann 2006 in Kraft und brachte viele neue Pflichten für Arbeitgeber mit sich.  Diese Pflichten gelten bereits bei Stellenausschreibung und dem Bewerbungsverfahren.

Jedoch ist damit ein anderes Problem aufgetreten: Rechtsmissbräuchliche Bewerbung, um einen Schadensersatz einzuklagen, obwohl die Annahme der ausgeschriebene Stelle nicht beabsichtigt ist.

Was Arbeitgeber (Unternehmen) beachten müssen

Sofern in der Bewerbung die Schwerbehinderung deutliche gemacht wurde, muss das Unternehmen dies zur Kenntnis nehmen und gesetzliche Vorgaben sind zu beachten.

Das Unternehmen kann es aber nur beachten, wenn es Kenntnis davon hat.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss die Behinderung im Anschreiben deutlich stehen, d.h. mit dem Grad der Behinderung und ggf. eine Gleichstellung.

Ausnahmsweise kann die Information auch im Lebenslauf gegeben werden, muss aber unter bestimmten Voraussetzungen deutlich gemacht werden. (NJW 2014, 1612, beck-online)

Ein Bewerber darf aufgrund seiner Behinderung nicht benachteiligt werden. Unzulässige Benachteiligung iSv § 81 II SGB IX iVm §§ 1, 2 I Nr. 1, 7 I AGG wird bereits dann angenommen, wenn der Bewerber nicht zum Bewerbungsgespräch geladen wird.

Wenn die Einladungspflicht nicht wahrgenommen wird, ist es ein Anscheinsbeweis. Hierbei kommt es auf ein Verschulden des Unternehmens und eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht an.

Ob eine solche Einladungspflicht nach 82 S. 3 SGB IX entbehrlich ist, hängt davon ab,  ob eine fachliche Eignung  offensichtlich, also unzweifelhaft, nicht vorliegt. 

Häufig kommt der Einwand, dass ein Bewerber seine Befähigung erst im Bewerbungsgespräch zeigen kann. 

Hierbei kommt es auf den Vortrag des Unternehmens an und die interne Struktur, wie über Bewerber entschieden wird und welche Voraussetzungen die konkrete Stelle hat. Es gilt die genaue Ausarbeitung, möglicherweise noch vor dem Gütetermin, sofern man bereits verklagt wurde.

Folge:

Die Entschädigungsforderung beläuft sich in der Regel auf 3 brutto Monatsgehälter der zu besetzenden Stelle. Zudem entscheidet hier das Arbeitsgericht, wonach jede Partei die eigenen Prozesskosten trägt, unabhängig vom Obsiegen oder Unterliegen. Also ein hoher Kostenfaktor für ein Unternehmen bzw. Arbeitgeber. Oft wird auch vor den Verwaltungsgerichten geklagten, wenn Gegenstand eine öffentliche Stelle ist, die zu besetzen war.

Die Problematik der Scheinbewerber

Scheinbewerber, auch AGG-Hopper genannt, nutzen die gesetzliche Regelung in rechtsmissbräuchlicher Weise , um sich zu bereichern. Sie bewerben sich auf Stellen, die sie in tatsächlicher Sicht nicht antreten möchten.

Diese Intension nachzuweisen, gestaltet sich in der Praxis schwierig. Auch geht es klar in die Richtung, tatsächlich betroffene Menschen mit der Regelung zu schützen. Im Zweifel ist es nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Darlegungs- und Beweislast, liegt bei dem der sich auf den rechtsmissbrauch beruft, also hier dem Unternehmen. Es ist also auch hier daran gelegen genau herauszuarbeiten, was für einen Rechtsmissbrauch sprechen könnte.

Die Annahme für einen rechtsmissbrauch sind zum Schutz der tatsächlichen Bewerber sehr hoch!

 BAG, Urteil vom 11. 8. 2016 – 8 AZR 4/15 :

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde.”

Danach ist ein rechtsmissbrauch nicht nur deshalb anzunehmen, weil ein Bewerber sich öfter beworben hat und anschließend auf Entschädigung geklagt hat. 

Schon vor dem Bewerbungsverfahren kann das Unternehmen durch eine falsch formulierte Stellenausschreibung diskriminieren. Dabei verbietet § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen.

Fazit: 

Sofern eine Stellen ausgeschrieben wird, muss diese gründlich auf diskriminierende Formulierung überprüft werdenBereits vor Ausschreibung, sollten die Auswahlkriterien dokumentiert werdenEine nachvollziehbare Dokumentation der Auswahl während des Bewerbungsprozesses ist ebenfalls dringen zu empfehlenSofern man verklagt wurde, ist es ratsam eine Rechtsanwältin/-anwalt aufzusuchen, um differenziert vorgehen zu können. Ob ein Entschädigungsanspruch besteht, ist zunächst genau zu prüfen
Man sollte also bereits präventiv darauf vorbereitet sein, zumindest die Thematik kennen, um böse Überraschungen zu vermeiden.